Zapier hat gestern bekannt gegeben, dass sie auf ein „Pay-per-Task“ Pricing-Modell umsteigen. Zuvor hatte bereits Intercom die monatliche Gebühr abgeschafft und damit eine neue Era im Pricing von Software eingeläutet.
Viele Kunden haben die Abo-Gebühren satt
Die Software-as-a-Service-Community spricht seit einigen Jahren davon, dass diese Preismodalität das Endziel der Pricing-Evolution sei. Denn die wertbasierte Preisgestaltung, die Anreize mit dem Geschäftsmodell in Einklang bringt, sei das erste Modell, dass die Beziehung mit dem Kunden direkt mit der Wertschöpfung integriert. Anders formuliert: Gewinnt der Kunde mehr oder weniger unmittelbar Mehrwert, zahlt der Kunde weiterhin beziehungsweise honoriert er dies mit Loyalität. Gewinnt er dagegen keinen Mehrwert mehr aus der Beziehung, dann geht er.
Obwohl man intuitiv meinen könnte, dass doch jedes Geschäft so funktioniert, ist dies nicht der Fall. Eines der wohl alltäglichsten und am meisten verbreitesten Beispiele – deine Beziehung mit Lebensmittelgeschäften. Ich weiss, ich weiss… Keine Regel ohne Ausnahme. Aber ganz allgemein gesprochen, gibts keine Garantie, dass du nächste Woche wieder dort einkaufen gehst. Die meisten Leute, vor allem in Städten, haben keine wirkliche Beziehung zum Geschäft, weshalb sich diese unterschiedlichen Taktiken wie Gutscheine und Aktionen nutzen, um die Chancen zu erhöhen, dass du nächste Woche trotzdem wieder vorbeischaust, um für dein täglich Gebrauch einzukaufen.
Geschäftsmodelle mit wiederkehrendem Umsatz bringen eine Art symbiotische Beziehung mit sich. Zumindest solange der Kunde auch den versprochenen Mehrwert realisiert. Für sowohl den Anbieter wie auch den Kunden ist dieser Zustand der beidseitig wahrgenommenen Symbiose eine effiziente und praktische Sache.
Schrittweise Evolution zum eigentlichen Endziel
Warum erst heute grössere, relevante Player in der SaaS-Community die Vision des wertebasierten Pricings umsetzen, hat mindestens drei Hintergründe. Einerseits ist es eine Frage der Grösse und vor allem der Marge. Um die Wertschöpfung maximieren zu können, ist früher oder später ein solches Modell notwendig, um auch bisher nicht bearbeitete Segmente bedienen zu können. Zum anderen, und das ist ganz banal, waren/sind die bestehenden Lösungen für die Abrechnung unzureichend oder unpraktisch. Doch auch weil die Kunden die Modalität einfach nicht wirklich mochten, kamen die Anbieter nicht auf die Idee, neue Wege im Pricing zu gehen.
Die Abrechnung nach Benutzer
Die Evolution im Pricing von Software hat also einen engen Zusammenhang mit diesen Hintergründen. Weil die Nutzung von Software lange Zeit nicht messbar war und diese auch nicht mit einem Zahlungssystem integriert werde konnte, grief man auf die einfache Modalität von „Gebühr pro Benutzer“ zurück.
Die Gebühr pro Benutzer im wiederkehrenden Geschäftsmodell mochten die Leute aber auch nicht wirklich. Schliesslich gab es ähnliche Software mit einer Dauerlizenz zu kaufen, d.h. man zahlt einmal eine Lizenzgebühr und dann einfach fortlaufend für Wartung und Support. Wieso dennoch viele Kunden auf die Gebühr pro Nutzer im wiederkehrenden Umsatzmodell aufgesprungen sind, hat damit zu tun, dass die wenigsten Anbieter ferner Lizenz und Funktionen sonst was verrechneten.
Nutzung wird messbar – jetzt rechnen wir danach ab
Der nächste Evolutionsschritt war der Moment, in dem Software und ihre Wertschöpfung plötzlich messbar wurden. Wie viel Dokumente wurden verarbeitet, wie viele Emails versendet, wie viele Dateneinträge gibts im CRM, wie viele Workflow-Automatisierungen sind erstellt? Diese Dinge sind nicht nur messbar geworden, sondern auch in der Regel in Echtzeit verfügbar und mit Zahlungssystemen verknüpfbar. Nun, wieso nicht auf dem effektiven gewonnenen Mehrwert verrechnen?!
Viele Kunden haben sich gerade erst daran gewöhnt, eine wiederkehrende Gebühr zu bezahlen. Wieso also schon wieder umgewöhnen und nach Verbrauch bezahlen? Immerhin war doch Software bis anhin uneingeschränkt nutzbar?! Hinzu kommt, zumindest in einigen Anwendungsfällen, die Schwierigkeit der Vorhersehbarkeit der Kosten für die Finanzabteilung des Kunden. Ein Kompromiss war das Bündeln von Nutzung unter so genannten Tiers – ein Paket für bis zu 100 Dokumente pro Monat für CHF 200, eines von bis zu 1’000 für CHF 1’500 und so weiter.
Kunden erhielten dadurch eine gewisse Vorhersehbarkeit und Anbieter in der Regel eine Umsatzerweiterung. Der grosse Nachteil an diesem Modell ist, dass gewisse Kunden einen „schlechten Deal“ eingehen, weil sie im Rahmen des wiederkehrenden Modells für was bezahlen, das sie gar nicht nutzen – Funktion oder Transaktionsvolumen. Andere wiederum machen einen verhältnismässig guten Deal und nutzen das volle Potenzial aus.
Unvorhersehbare Abrechnung
Das Arbeiten mit unvorhersehbaren Abrechnungen, beispielsweise bei Infrastrukturlösungen wie GCP oder AWS & Co., ist zwar für die meisten nicht das Gelbe vom Ei, doch findet es allgemein Anklang, nur für das bezahlen zu müssen, was man auch wirklich braucht. Allein die Finanzteams beklagen sich weiter, weil sie nicht wollen, dass plötzlich Kosten ausser Kontrolle geraten.
Anbieter reagieren darauf mit der bereits bekannten Paketierung von Wertmetriken und gehen damit über zu einer mehr nutzungsbasierten Preisgestaltung. Ein Beispiel für ein solches Pricing könnte sein: CHF 500 pro Monat + CHF 100 pro Monat für 500 Dokumente.
Die rein wertbasierte Abrechnungs-Era
Anbieter, speziell diejenigen, die ausgebaute Geschäftsmodelle mit Bruttomargen von über 50% haben, haben Anreize dazu, zu rein wertbasierter Abrechnung überzugehen. Aber die meisten Kunden sind noch nicht ganz bereit dazu, und das liegt hauptsächlich daran, dass die meisten Anbieter es nicht schaffen, ihnen solide Vorhersehbarkeit darüber zu geben, wie viel sie nutzen werden. Wie so oft ist also ein Geben und Nehmen, das notwendig ist.
Sind Kunden mit dem neuen mentalen Modell wohl genug und Anbieter im Stande, Vorhersehbarkeit und Transparenz zu bieten, steht einem rein wertbasierten Pricing nichts mehr im Wege. Es gibt immer mehr Abrechnungssysteme, die flexibel genug sind, um eine solche Pricingmodalität mit etwas Aufwand umzusetzen. Damit wird die SaaS-Community Schritt für Schritt in die neue Era eintauchen, wo wir monatliche vorhersehbare Umsätze haben, die Kunden und Anbieter für beide Seiten optimal in ein Geschäftsmodell integriert und eine Verbesserung gegenüber dem derzeit verbreiteten Monats- bzw. Jahresabo repräsentiert.
Dass es nun vor allem eher Community-getriebene Softwareanbieter sind, die die Pionier-Rolle in der Pricing-Innovation vorantreiben, dürfte nicht wirklich überraschen. Sie verstehen das allgemeine Sentiment in der Community, bewiesen schon mehrfach ihre Fähigkeit, relevante Insights daraus zu ziehen und grossartige Produkte zu bauen.
Die nächsten Jahre werden spannend und ich denke, es wird viel Bewegung in Pricing-Bereich geben. Künstliche Intelligenz wir mögliche Innovationen lediglich befeuern.